‚Science-related populism‘: Wie Trump, Kickl & Co Covid politisch nutzen

Populismus„: keinen anderen Begriff verbindet man wohl so stark mit der Politik der letzten Jahre. Die Republikaner unter Donald Trump in den USA, Straches FPÖ der 2010er Jahre aber auch die deutsche AfD feierten allesamt mithilfe der bedeutendsten politischen Strömung unserer Zeit überraschende Wahlerfolge – und brachten damit gar die Politikwissenschaftler der Welt dazu, die moderne Zeit als ‚Age of Populism‚ zu bezeichnen. Doch genau wie jede andere Bewegung der Geschichte unterliegt auch der klassische Populismus dem sozialen Wandel. Nach den jüngsten Misserfolgen der ‚großen‘ Populisten in den Vereinigten Staaten, aber auch Europa, stellt sich die Frage, wie sich der opportunistische Stil in der modernen Zeit weiter behaupten will, ohne an Fahrt zu verlieren. Über die Verbindung zwischen einer Pandemie und Elitenkritik.

Ein vager Begriff

Wie so oft in der Politikwissenschaft sind die bedeutendsten Begriffe der Disziplin am schwersten zu beschreiben (selbst die Frage nach der Definition von ‚Politik‚ kann eine endlose Diskussion hervorrufen!). Der ‚Populismus‚ reiht sich in diese Tradition ein. In seinem Kern ist er allerdings leicht zu definieren: Wie der Name (populus = lat. für ‚Volk‘) schon verrät, ist im populistischen politischen Stil die Abgrenzung des ‚reinen‚ Volkes von einer ‚bösen‚ Elite von zentraler Bedeutung. Meist wird dabei betont, dass der common sense der Bevölkerung den Interessen einer korrupten elitären Schicht moralisch wie machtpolitisch gegenübersteht. Am vermutlich besten veranschaulicht wird die Ideologie am Beispiel Donald Trump: Der US-Amerikaner schaffte es, sich gegenüber seinen Wählern als ehrlicher ‚Mann des Volkes‚ zu präsentieren, der im Gegensatz zu seinen politischen Gegnern (Clinton, Biden und die Demokratische Partei an sich) nicht durch den wirtschaftlichen Lobbyismus der modernen Politik korrumpiert wurde und die wahren Interessen des kleinen Mannes vertritt. Faktenbasierte Kritik an seiner Person delegitimiert er früher oder später mit dem Vorwurf der ‚Fake News‚, die von der mächtigen Medienelite verbreitet wird, um das Volk zu blenden. Wie viel Gehalt hinter dieser Taktik steckt, sei dahingestellt. Und auch wenn Österreichs Wirtschaft keine so finanzstarken Unternehmen hervorgebracht hat wie die US-amerikanische, wo ‚BigTech‚ (Facebook) und ‚BigPharma‚ (Pfizer) angeblich hinter so manchen politischen Entscheidungen stecken sollen, lassen die Korruptionsskandale der letzten Jahre (und auch Tage) Spuren am Vertrauen der Bevölkerung in die politische Elite und geben der populistischen Rhetorik einen starken Aufwind.

Siegeszug mit Endstation Ibiza

Hierzulande versuchte ein gewisser Heinz-Christian Strache, wie schon einige vor ihm, sich des Populismus als Strategie zum Machtgewinn zu bedienen. Im Gegensatz zu den meisten vor ihm (mit Ausnahme Jörg Haiders), schaffte er es aber, mit Brandreden über das ‚rot-schwarze Proporzsystem‚, EU-Kritik und Ähnlichem seine Partei bundespolitisch von Wahl zu Wahl hochzuarbeiten. 2017 passierte dann das, was man schon Jahre vorher vorhersehen konnte. Mit rund 26 Prozent der Stimmen machte ihn Sebastian Kurz, der sich inhaltlich einiges von ihm abgeschaut hatte, zum Vizekanzler in einer tiefkonservativen Regierung. Auch Norbert Hofer, einer seiner engsten Parteikollegen, schaffte es 2016 mit seiner populistischen Taktik (Abgrenzung vom elitären Hochschulprofessor Van der Bellen, fremdenfeindliche Rhetorik in Bezug auf die Flüchtlingswelle 2015) beinahe zum Bundespräsidenten. Das Ende des Aufwinds kam mit Ibiza, von diesem Schock konnte sich HC Strache, aber auch die FPÖ als Ganzes, nie vollständig rehabilitieren. Mit einem Video und dem Versuch, eine russische Oligarchentochter zu bezirzen, war das Image des Vertreter des kleinen Mannes, der mit Korruption nichts am Hut hat, weg. Ein paar Wähler teilten sich auf die anderen Parteien auf, der Großteil wurde jedoch zu Nichtwählern. Nunja, bis der Freiheitlichen Partei , so zynisch es auch klingen mag, Corona in die Karten spielte und eine neue Basis für Elitenkritik schuf.

‚Science-based Populism‘ als politische Antwort auf die Pandemie

Die Pandemie bot von Beginn an eine ganz eigene Grundlage für den Populismus. Der ohnehin schon angezweifelte Wahrheitsanspruch der akademischen Elite (so zum Beispiel in der Frage zur HPV-Impfung bei Kindern), kam in einen komplexen Konflikt mit der Einschränkung von persönlichen Freiheiten im Zuge der Covid19-Krise. Zwei Sozialwissenschaftler, Niels Mede und Mike Schäfer, gaben der politischen Antwort auf diesen Konflikt den Namen ‚Science-related Populism‚ weil der Gegensatz nun nicht mehr nur zwischen dem reinen Volk und der korrupten Politik besteht, sondern den Bürgern, ihrem Recht auf Selbstbestimmung und der Wissenschaft, die diese einschränken will. In Österreich übernahm vor allem die FPÖ die Rolle der Vertretung der skeptischen Bürger. Zuerst im Rahmen der Ausgangsbeschränkungen und Maskenpflicht, dann in der ominösen Impf-Frage. Das Austrian Corona Research Panel (ACCP) bestätigt diese Verbindungen unter anderem dadurch, dass sich unter den Anhängern der FPÖ (im Vergleich mit den anderen heimischen Parteien) die prozentuell meisten Impfverweigerer befinden. Die Grundidee des Populismus wird dabei konsequent weitergeführt: Emotionale Angst, wie etwa vor zukünftigen Impfschäden, wird für den Zugewinn politischer Macht benutzt. Ähnlich wie andere ‚dünne‚¹ Ideologien schafft es der Populismus allerdings nur schwer, konkrete Lösungen für echte Probleme zu bieten. Die einzige Implikation bleibt, dass man dem ‚post-faktualen Zeitalter‚ gemäß versucht, den Wahrheitsanspruch von der Wissenschaft auf die Willkür der Bevölkerung umzulenken, ohne nennswerten Input.


¹ Die Ideologienforschung unterscheidet meistens zwischen ‚dünnen/thin‘ und ‚dicken/thick‘ Ideologien. Dünne Ideologien, wie eben der Populismus, können dabei meist seltener konkrete Policy zur Lösung von damit verbundenen Problemen anbieten, während dicke Ideologien, wie etwa der Liberalismus als Ganzes, genaue Vorstellungen davon hat, was für politische Inhalte sinnvoll wären.

Medes und Schäfers (2020) Beitrag im Sage-Journal zum Science-related Populism: https://journals.sagepub.com/doi/pdf/10.1177/0963662520924259

Daten des ACCP zur Impfbereitschaft: https://viecer.univie.ac.at/corona-blog/corona-blog-beitraege/blog128/