EU-Kritik: Wo sich Links und Rechts treffen

Die Europäische Union ist als internationale Organisation historisch einzigartig: Noch nie kam es in der Geschichte zu einer so engen, staatenübergreifenden Zusammenarbeit auf einer rein demokratischen Basis, die nachhaltig die rechtlichen, wirtschaftlichen und vor allem gesellschaftlichen Grenzen zwischen derartig vielen Nationalstaaten fallen lässt. Die Bewohner der Union selbst sehen diese Arbeit überwiegend als positiv an und vertrauen dieser mehr, als sie ihr misstrauen, wie die regelmäßigen Ergebnisse der Meinungsumfrage „Eurobarometer“ zeigen. Dementsprechend traditionell europafreundlich sind hierzulande auch die „großen“ Parteien, SPÖ und ÖVP, welche die meisten Wähler unter sich vereinen. Skeptisch sind hingegen die politischen Ränder, welche sich normalerweise inhaltlich selten treffen. Sowohl von Linksaußen, als auch von Rechtsaußen kommen immer wieder massive Kritiken in Richtung des europäischen Projektes. Warum sind sich hier diejenigen, die aus Prinzip grundsätzlich zweier Meinung sind, plötzlich in ihrer Skepsis einig?

Selbst als politisch Interessierter Mensch wird man sich nun die Frage stellen, seit wann denn die „Linken“ EU-kritisch sind. Die europäischen Skeptiker, die einem in den Sinn kommen, sind dann doch eher die mit den Bomberjacken und Hakenkreuzfahnen. Verständlich, denn die medial behandelten, negativen Meinungen zur Europäischen Union kommen meistens von rechts: Nationalistische bis rechtsextreme Parteien, wie hierzulande etwa die FPÖ oder früher das BZÖ, sehen durch die Übertragung von staatlichen Kompetenzen an die „fremdgeführte“ Europäische Union die uralte, konstitutive Souveränität der Nationalstaaten gefährdet. Die Angst, von „denen da oben“ regiert zu werden, mit denen sie sich ideologisch nicht identifizieren können, wird durch den Vorrang des EU-Rechts bis vor das staatliche Verfassungsrecht befeuert. In der aktuellen Diskussion kommt von rechter Seite dabei regelmäßig Kritik an der als schwach und inkonsequent empfundenen Sicherung der Außengrenzen der Union, welche die vermeintliche Gefahr für die westliche Gesellschaft und nationale Identität, Migrationsströme aus Nordafrika und Syrien, laut ihnen nicht verhindern kann. Die Forderung nach einer einheitlichen europäischen Verteidigungspolitik, sprich einer gemeinsamen Armee, als potentielle Lösung stößt dabei innerstaatlich auf Ablehnung, da die identitätsstiftende österreichische Neutralität nicht gefährdet werden soll.

Diese Seite der Kritik am europäischen Friedensprojekt hast du allerdings bestimmt schon x-mal gehört. Weniger bekannt, da weniger darüber berichtet wird, ist die Meinung des linken Randes dazu. Die marxistisch-kommunistischen Strömungen der Gegenwart legen ihr Augenmerk mehr auf die wirtschaftliche Ausrichtung der EU, welche durch ihren neoliberalen Grundcharakter der möglichst freien Wirtschaft nicht nur die Schere zwischen Arm und Reich in und außerhalb des Kontinents auseinander gehen lässt, sondern auch die Gesellschaft spaltet indem sie unter anderem rassistische und patriachale Vorurteile ökonomisch festigt. Tatsächlich spielt auch die Migrationspolitik eine große Rolle bei der Kritik an der Union. Anders als bei den Rechten wird hier allerdings die generelle Idee, die Außengrenzen der EU müssten vor Migranten „gesichert“ werden, abgelehnt und der institutionelle Grenzschutz, in Form der Agentur „FRONTEX, als das Problem selbst wahrgenommen. Parteien wie „Die Linke“ aus Deutschland oder die griechische „SYRIZA“ haben sich, um dieser Kritik innerhalb der Europäischen Union Ausdruck zu verleihen, als „Die Linke im Europäischen Parlament“ zusammengeschlossen, vertreten dabei allerdings nicht ansatzweise so viele Bürger wie die stärkste Vereinigung der rechten EU-Skeptiker, die „Fraktion Identität und Demokratie“ rund um die FPÖ, die deutsche AfD und das RN aus Frankreich.

Die Gegenüberstellung der Kritikpunkte zeigt, dass die Skepsis der politischen Ränder wenig gemein hat, außer der Skepsis an sich. Laien tendieren allerdings gerne dazu, so ein sich ähnelndes Verhalten von extremen Gegenpolen mit der „Hufeisentheorie“ zu erklären: Genau wie sich die Enden eines Hufeisens wieder näher zueinanderbiegen, treffen sich der Theorie zufolge auch die politischen Extrempositionen inhaltlich, meist ohne das es die jeweiligen Akteure wahrhaben wollen. Kommunistische wie Faschistische Regime haben beide ein ähnlich autoritäres Verständnis von Macht, dass in der staatlichen Manifestation auch ähnlich viel humanitären Schaden anrichtet. Vom Großteil der modernen politikwissenschaftlichen Forschung wird dieser Gedankenschluss allerdings abgelehnt, zurecht wie ich meine. Genauso wie das Vergleichen der EU-Kritik beider Seiten zeigt auch eine Auseinandersetzung mit den meisten anderen Inhalten der Gruppen, dass die Hufeisentheorie die sehr komplexen inhaltlichen Positionen so stark vereinfacht, dass die wirklich gravierenden Unterschiede der Extrempole in der Diskussion untergehen. Stark vereinfacht gesagt: Linke und Rechte Hardliner haben eigentlich nur eine ausschlaggebende Gemeinsamkeit, die Unzufriedenheit mit dem status quo.